Letzte Aktualisierung: München, den 17.11.2004
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Einführung zum Thema Softwarepatente

Von Uli Sommer

Dieser Artikel ist auf kürzestem Raum eine relativ umfassende Abhandlung zum Thema Softwarepatente mit wertvollen Links zu allen wesentlichen Fragen. Er dient gleichermaßen als Information für Neueinsteiger, als auch als Argumentationshilfe und Quellensuche im Internet. Anmerkungen und Ergänzungen bitte ich zu mailen an (bitte eintippen).

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Inhalt:

1. Einleitung
1.1 Softwarepatente - in wenigen Worten
1.2 Auswirkungen von Software-Patenten (am Beispiel USA)

2. Patentrecht und Urheberrecht
2.1 Patentrecht
2.2 Urheberrecht

3. Worum geht es?
3.1 Worum geht es aus rechtlicher Sicht?
  3.1.1 EPC Art. 52
  3.1.2 Trips
  3.1.3 Computer implementierte Erfindung
  3.1.4 Logikpatente
  3.1.5 Interoperabilität
  3.1.6 Veröffentlichung von Programmtexten, die geschützte Inhalte haben
  3.1.7 Trivialpatente
  3.1.8 Richtlinie zur Ahndung von Verstößen gegen Urheber- und Patentrecht nach dem Strafrecht
3.2 Worum geht es im Hinblick auf Interessengruppen?
  3.2.1 Entwickler von freier Software
  3.2.2 Die mittelständische und große Softwareindustrie
  3.2.3 Patentanwälte und Patentämter
  3.2.4 Patentfirmen
  3.2.5 Softwaregiganten
3.3 Worum geht es in Hinblick auf wirtschaftliche Auswirkungen?

4. Das Für und Wider
4.1 Die Argumente der Softwarepatentbefürworter
4.2 Was spricht gegen Softwarepatente?

5. Der Weg durch die Institutionen
5.1 Schema der Entscheidungsfindung
5.2 Die Protagonisten
  5.2.1 Die Europäische Kommission
  5.2.2 Der Rat der Europäischen Union
  5.2.3 Das Europäische Parlament
  5.2.4 Europäisches Patentamt
  5.2.5 Lobbyisten der Monopolisten: (kleine Auswahl)
  5.2.6 Die deutsche Bundesregierung
5.3 Der Entwurf der Europäischen Kommission vom 20.02.2002
5.4 Der Entwurf des Europäischen Parlamentes
5.5 Entwurf des Europäischen Rates vom 24.05.2004

 
 

1. Einleitung

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1.1 Softwarepatente - in wenigen Worten

30.000 Patente hat das Europäische Patentamt in den letzten Jahren auf Software erteilt. Dies ist ein klarer Verstoß gegen geltendes Recht, denn das Europäische Patentabkommen Artikel 52 regelt klar und verständlich, dass Software und Algorithmen nicht patentierbar sind. Das Bemühen von Lobbyisten der Patentinhaber, nachträglich die gesetzliche Grundlage für ihre Patente zu schaffen, ruft bei der mittelständischen Softwareindustrie Empörung hervor.
Der harmlos klingende Begriff "Softwarepatente" bedeutet in der Praxis massive Einschnitte in die Wirtschaft: Die 30.000 vielfach trivialen europäischen Software-Patente erstrecken sich auf die grundlegenden Programmier- und Kommunikationsmethoden jedes Programmierers und befinden sich überwiegend in Hand der Softwaregiganten. 70% der europäischen (!) Patente kommen aus USA und Japan. Unter den Patenten sind augenfällige Hilfsmittel, wie der Fortschrittsbalken, Karteikartenreiter und viele gebräuchliche Kommunikationsmethoden zum Verkauf per Internet. Unter den Patenten sind aber auch Hintergrundtechnologien wie Bild- und Ton-Formate (GIF-, JPG- und MP3-Format, etc.)

Die Europäische Kommission hat 2002 einen Entwurf vorgelegt, der wesentliche Voraussetzungen, die heute erforderlich sind, um ein Patent zu erhalten, einfach streicht. Dieser Entwurf würde auch bestehende Patente auf mathematische Methoden und Geschäftsmodelle legalisieren (im Prinzip ist eine nachträgliche Legalisierung rechtlich kaum denkbar; aber davon spricht seltsamerweise niemand). Das Europäische Parlament hat im September 2003 diesen Entwurf zurückgewiesen und in ausgewogener Weise so verändert, dass echte Erfindungen auf Computergesteuerte Maschinen ("Computerimplementierte Erfindung") möglich sind, Rechenvorschriften und reine Programme aber nicht. Dieser Entwurf erfüllt alle Anforderungen, die auch von Europarat und -Kommission öffentlich gestellt werden. Im Mai 2004 hat der Europäische Rat unter der irischen Ratsherrenschaft erneut einen Entwurf verabschiedet, der faktisch reine Software patentierbar macht und alle Veränderungen des Entwurfs des Europäischen Parlamentes ignoriert. Paradoxerweise erklären seit jüngerer Zeit auch faktische Befürworter von Softwarepatenten, sie seien gegen reine Softwarepatente und wollen auf keinen Fall "amerikanische Verhältnisse". In diesem Sinne liest sich der aktuelle Entwurf des Rates auch, als ob reine Softwarepatente ausgeschlossen seien. Erst Kenner der aktuellen ungesetzlichen Erteilungspraxis des Europäischen Patentamtes verstehen die Bedeutung der fehlenden Definition der "Technizität". Das Europäische Patentamt betrachtet Software in Verbindung mit dem Computer, auf der diese Software läuft, als "technische" Einheit. Momentan ist in der Politik kaum mehr Argumentation über den Unsinn reiner Softwarepatente bzw. "amerikanischer Verhältnisse" erforderlich, da nahezu alle Parteien beides in ihren Worten ablehnen. Die Argumentation der faktischen Softwarebefürworter beruht momentan auf der bewusst oder irrig falschen Behauptung, der aktuelle Entwurf des Europäischen Rates würde reine Softwarepatente ausschließen.
Es ist das Ziel des Vereines FFII e.V, das Bewusstsein in der Öffentlichkeit für die Gefahren durch Softwarepatente so weit zu schärfen, dass deren Durchsetzung nicht mehr möglich ist.


Softwarepatente gefährden fast jedes elektronische Geschäft!
(Das Bild wurde webshop.ffii.org/ entnommen, wo auch die Rechte liegen.)

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1.2 Auswirkungen von Software-Patenten (am Beispiel USA)

Warum soll eine Firma, die viel Geld in die Entwicklung von guter Software steckt, nicht auch den Schutz erhalten können, der seit vielen Jahrzehnten in der Technik selbstverständlich ist? In diesem Sinne argumentieren jedenfalls die Befürworter der Patentierbarkeit von Software. Nahezu sämtliche Studien über die Auswirkungen der Softwarepatente in den USA (swpat.ffii.org/archiv/spiegel/wirkung/index.de.html), wo Softwarepatente seit einiger Zeit Realität sind, zeigen jedoch, dass die Wirtschaft schwer beeinträchtigt wird und dass das Ringen um Gerechtigkeit sehr zäh ist bzw. Gerechtigkeit nicht erreicht wird und dass Innovation stark behindert wird. Befürworter und Lobbyisten für Softwarepatente entstammen von wenigen Software- und Computergiganten, die sich von Softwarepatenten eine Absicherung ihrer Geschäftsfelder erhoffen, auf denen sie teilweise bereits Monopolstellung erreicht haben. Dabei machen sich die Giganten keineswegs mehr die Mühe, während der Programmierung die Umgehung einzelner Patente oder die mögliche Verletzung zu untersuchen, sondern sie tun sich zusammen zu Patent-Pools, aus denen sich Großkonzerne bedienen dürfen und mittelständische Firmen ausgeschlossen werden, sobald eine Konkurrenzsituation entsteht. Besonderes Interesse besteht freilich an der Einführung von patentrechtlich geschützten Standards beispielsweise im Internet. Dadurch wird jeder Zugang zum Internet gebührenpflichtig. Mittelständische Entwickler werden stark behindert und insbesondere Freie Software wird praktisch von der Teilhabe an diesen Standards ausgeschlossen. Derartige Entwicklungen lassen sich im Bereich Video und MP3 auch bei uns bereits beobachten. Die unter Linux erschwerte Abspielbarkeit von Videos beruht auf solchen amerikanischen geschützten Standards und nicht auf der mangelnden Koordination der freien Entwickler. Wenn solche Standards sich nicht nur auf den Unterhaltungsbereich erstrecken, sondern auch Kommunikationsprotokolle des Internets durchdringen, was manche Großkonzerne bekanntermaßen anstreben, dann würden mittelständische Firmen und freie Software faktisch von der Kommunikation ausgeschlossen. Softwarepatente sind demnach nicht zum Vorteil einer industrie, sondern begünstigen Monopole, schaden der Wirtschaft und dem Mittelstand.


 
 

2. Patentrecht und Urheberrecht

Zum Verständnis der Thematik und der weiteren Informationen ist ein Satz fällig zum Unterschied zwischen dem Patentrecht, von dem Software bislang ausgenommen war, und dem Urheberrecht, das auf Software bislang angewendet wird:
Das Patentrecht ist zuständig für technische Erfindungen, und das Urheberrecht ist zuständig für gestalterische Schöpfungen, wie beispielsweise Kunstwerke und Softwareentwicklung.

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2.1 Patentrecht

Ein Patent wird auf eine klar formulierbare Idee erteilt. In einer ellenlangen Patentschrift ist das ein einziger Satz, der sogenannte Hauptanspruch, der tatsächlich geschützt ist. Die restliche Beschreibung und Unteransprüche müssen jedoch die gesamte Erfindung soweit darlegen, dass ein Fachmann in der Lage wäre, aufgrund der Patentschrift die Erfindung zu bauen. Bei der Formulierung des Hauptanspruches besteht die Kunst des Erfinders darin, die Idee so allgemein wie möglich zu fassen, um möglichst viel damit zu schützen. Er darf jedoch nicht so allgemein gehalten sein, dass er etwas beschreibt, was es schon einmal gab. Der Hauptanpruch für den ersten Wagen mit Rädern könnte beispielsweise lauten: "Mobil, dadurch gekennzeichnet, dass eine senkrecht gestellte kreisrunde Scheibe in diesem um ihre waagerechte Achse quer zur bewegungsrichtung drehbar gelagert ist und auf dem Rand ihrer Kontour auf dem Boden abrollen kann." Ein derartiger Anspruch könnte nahezu die gesamte Mobilität unter ein Monopol stellen. Allerdings wäre dieses Patent ausgelaufen, weil die Idee schon einige tausend Jahre alt ist. In der Softwareindustrie wurde "das Rad" bzw. grundlgende Entwicklungen durchaus in den letzten zwanzig Jahren erfunden. Sie können sich vorstellen, dass es der Schutz auf ein wichtiges Element ermöglichen kann, Wettbewerber zu eliminieren. Dafür gibt es den Schutz eines Patentes grundsätzlich weltweit nur für 20 Jahre. Das ist in der Technik nicht so exorbitant viel Zeit, denn das Rad ist ja schon eine Weile erfunden. Ferner muss ein Patent angemeldet werden, was einige Anstrengung, Geld und Know How erfordert. Der Anmeldeprozess benötigt im allgemeinen einige Jahre. Das ist zu viel Zeit, um bei der Kurzlebigkeit der Computertechnologie viel wert zu sein. Daher schützen manche Hardwarefirmen, die ja Patente in Anspruch nehmen könnten, ihre Erfindungen nicht durch Patente, sondern durch Geheimhaltung und Geschwindigkeit auf dem Markt. Bis die Konkurrenz nachbauen kann, ist die Entwicklung bereits abermals fortgeschritten. Ein Patent muss explizit folgende Anforderungen erfüllen: Es muss nach der Patentschrift als ganzes nachbaubar sein, es muss eine gewisse Erfindungshöhe aufweisen, sodass nicht jeder auf die Idee käme, wenn er vor dem selben Problem stünde, es muss wirtschaflich nutzbar sein, und es muss neu sein. Explizit ausgeschlossen waren bis vor kurzem chemische Verbindungen, mathematische Formeln, logische Abläufe und auch Lebewesen oder Züchtungen.

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2.2 Urheberrecht

Tabs
 
Würde nach bisherigem Verständnis eindeutig unter das Urheberrecht fallen und somit nur in der jeweiligen Ausgestaltung geschützt: Tabs und Verlaufsbalken. Sind aber bereits in Europa patentiert.
 

Anders als das Patentrecht, besteht das Urheberrecht auf einer Schöpfung ohne weiteres Zutun. Wer sich des Schutzes sicher sein will, sollte lediglich dafür sorgen, dass die Urheberschaft und der Zeitpunkt beweisbar sind (beispielsweise durch Hinterlegung einer Kopie bei einem Notar). Der Schutz besteht im Gegensatz zum Patent lebenslang und noch länger. Aber der Schutz bezieht sich nicht auf eine Kernidee, sondern auf die Schöpfung als Ganzes. Ein schönes Bild darf also nicht einfach kopiert oder nachgemalt werden, auch wenn es nachher ein wenig anders aussieht. Aber sobald eine grundlegend neue Schöpfung vorliegt, darf diese durchaus Elemente eines bekannten Kunstwerkes erhalten. Sie ahnen bereits, dass es einem Maler selten passieren dürfte, dass er ahnungslos ein Bild malt und nach Veröffentlichung von einem anderen Maler angezeigt wird, weil er dessen Urheberrecht an dessen Bild verletze. Dazu müsste er das andere Bild bereits kennen, denn der Zufall, dass zwei Maler unabhängig voneinander das selbe Bild mit der selben Stimmung, der selben Bildaufteilung, der selben Farbgebung usw. schaffen ist extrem selten.

An das Urheberrecht werden keine Ansprüche gestellt. Ein Bild muss kein Kunstwerk sein, um diesen Schutz zu genießen. Es muss lediglich einzigartig sein. Bezogen auf Software heißt das, dass das Urheberrecht verletzt wird, sobald erkennbar wird, dass "abgeschrieben" oder kopiert wird. Dieser Eindruck entsteht kaum bei paralleler Entwicklung von miteinander nicht verbundenen Entwicklern. Software, wie gesagt, besitzt bis heute den Schutz des Urheberrechtes und war damit auch recht gut geschützt. Wem das nicht genug war, der konnte ja im stillen entwickeln, denn das fertige, kompilierte Produkt in Maschinensprache ließ ja keine Schlüsse auf den internen Mechanismus bzw. den Programmtext zu. Der dauerhafte Schutz auf Lebenszeit und länger beeinträchtigt die allgemeine technische Entwicklung ebenfalls nicht, denn bei tausenden von Codezeilen kommen Programmierer auch zu unterschiedlichen Resultaten, wenn sie nicht direkt abschreiben.


3. Worum geht es?

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3.1 Worum geht es aus rechtlicher Sicht?

3.1.1 EPC Art. 52

www.european-patent-office.org/legal/epc/d/ar52.html (deutsch)
www.european-patent-office.org/legal/epc/e/ar52.html (englisch)
EPC (European Patent Convention) Artikel 52 schreibt vor, dass jede zu patentierende Erfindung physikalische Vorgänge und Wirkungen beschreiben muss und schließt explizit Algorithmen, mathematische Methoden, Formeln und auch Softwareprogramme aus. Dieser Artikel soll nach dem Vorschlag der Softwarepatentbefürworter vereinfacht werden und Methoden und Software schlichtweg nicht mehr erwähnen. Somit wäre der Weg für Softwarepatente frei.

3.1.2 Trips

www.wto.org/english/docs_e/legal_e/27-trips_04c_e.htm#5 1993 gründete die WTO (World Trade Organisation) ein Übereinkommen über Minimalstandards zur Patentgesetzgebung. Der Passus "Patente sollen für alle Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erhältlich sein, sofern sie ... einer industriellen Anwendung zugänglich sind", wird vielfach herangezogen, um daraus die Erfordernis der Zulassung von Computerpatenten abzuleiten. Auf swpat.ffii.org/analyse/trips/index.de.html legt der FFII dar, warum Computerpatente nicht notwendigerweise als einer industriellen Anwendung zugänglich betrachtet werden müssen. Weitere Einschränkungen des Artikels 27 werden in den nachfolgenden Artikeln 30, 31 und 34 gemacht, die auch den Spielraum erweitern, Softwarepatente auszuschließen. Faktisch kann aus Trips kein Zwang abgeleitet werden, Softwarepatente zu legalisieren.

3.1.3 Computerimplementierte Erfindung

Waschmaschine

Zur Begründung der Notwendigkeit von Softwarepatenten wurde der Begriff der "computerimplementierten Erfindung" eingeführt. Dieser bezeichnet je nach Kontext und Argumentationsabsicht entweder eine physikalisch wirksame Maschine mit computertechnisch gesteuerten Funktionen oder aber ganz allgemein Computer-Erfindungen. Diese Schwammigkeit mag beabsichtigt sein, denn im allgemeinen können Maschinen mit einer neuartigen physikalischen Wirkungsweise nach bestehendem Recht schon immer zum Patent angemeldet werden. Oft wird in falscher Weise ausgesagt, die ABS-Bremse hätte aufgrund ihrer elektronischen Steuerung nicht patentiert werden können. Der Fall der ABS-Bremse ist unter swpat.ffii.org/papiere/bgh-abs80/index.de.html recht gut dokumentiert und bestätigt, dass zur Patentierung "computerimplementierter Erfindungen" keine Gesetzesänderung erforderlich wäre, der Begriff also im Prinzip ohne Bedeutung ist. Entsprechend dem Begriff der computerimplementierten Erfindung gibt es nun Vorstöße, explizit die computerimplementierte Erfindung zur Patentierbarkeit zuzulassen. Der entscheidende Punkt, in dem sich die Geister scheiden, ist dabei, ob die Erfindung, die im beschreibenden Teil des Hauptanspruches bezeichnet wird, physikalischen Charakter hat. Die Waschmaschine sollte im Interesse der freien Softwareentwicklung höchstens dann patentiert werden können, wenn eine neuartige physikalische Wirkung auf die Wäsche die Neuheit darstellt, nicht aber, wenn auf eine Waschmaschine mit bekannter Technik eine Steuerung mit veränderter Programmierung losgelassen wird. Der Entwurf des Europäischen Rates vom Mai 2004 erfordert von einer patentierbaren Erfindung, dass sie Teil eines technischen Systems sei. In der Patenterteilungspraxis des Europäischen Patentamtes wird die Einheit von Software und Computer als technisch betrachtet und somit wird durch den Ratsentwurf jegliche Software patentfähig, wenn sie auf einem Computer lauffähig ist (was ja schließlich ihr Daseinszweck ist).
Die schleichende Metamorphose von Versprechen der Ausgrenzung von reiner Software zu faktischer Legalisierung derselben ist unter patinfo.ffii.org/richtlinie.html anhand des ersten Richtlinienentwurfes der Europäischen Kommission (Eher Softwarepatentbefürworter) ganz gut dokumentiert.

3.1.4 Logikpatente

Der Wegfall des Artikels 52 öffnet auch die Möglichkeit zur Patentierung von Geschäftsmethoden oder Rechenvorschriften. Dies ist ja auch charakteristisch für die Nähe von Programmtexten zur Sprache, zur Mathematik und zur Methodik allgemein. Es gibt bereits in Europa eine Patentanmeldung zur Umorganisation einer Firma zur 35-Stundenwoche. Ein Patent auf die Konvertierung von den für uns gebräuchlichen Dezimalzahlen zu Binärzahlen macht als Beispiel deutlich: Computerprogramme sind streng genommen Denkmuster, Anweisungen zur Problemlösung, die nicht notwendigerweise nur an einen Computer gestellt werden. Die Entschärfung des Artikels 52 besagt ja schließlich nicht, dass Patente auf Computerprogramme erlaubt sind, sondern dass die Enschränkung, Patente dürften sich nur auf physikalisch wirksame Erfindungen beziehen wegfällt. Somit könnten in Zukunft auch mathematische Formeln patentiert werden, ja sogar Schemata von Musikdarbietungen. In der Logik wäre damit nicht nur beispielsweise eine konkrete Sonate geschützt, sondern die Sonate als solche könnte geschützt werden, wenn sie neu wäre. Niemand dürfte dann, ohne Lizenzgebühren zu entrichten, eine Sonate schreiben!

3.1.5 Interoperabilität

Im Richtlinienentwurf des Europäischen Parlamentes (eher softwarepatentkritisch) vom 27. September 2003 ist festgelegt, dass der Schutz von Patenten nicht den Austausch von Formaten zwischen verschiedenen Programmen behindern darf. Es muss Softwareentwicklern möglich sein, patentrechtlich geschützte Formate oder Programme ansprechen zu können, um sie in das eigene Format zu konvertieren, oder um mit ihnen zu kommunizieren. Softwarepatentbefürworter wollen diese Interoperabilität explizit von der Lizensierung durch die Rechteinhaber abhängig machen. Durch eine solche Regelung besteht die Gefahr, dass normierte Schnittstellen oder faktische Standards, die sich aus dem Markterfolg gewisser proprietärer Produkte ergeben unter die Kontrolle von Einzelfirmen gelangen, die damit eine politisch relevante Macht erlangen. Solche Regelungen könnten die freie Kommunikation und den Datenschutz generell in Frage stellen. Die Problematik existiert bereits heute im Austausch von Filmformaten von DVDs, die faktisch zu Standards wurden. Hierbei werden indirekt weitere Lizenzgebühren für das Abspielen der Filme fällig, die über die Kauf- oder Leihgebühr der Medien hinausgeht. Dabei ist die Technik zur Wiedergabe der Medien leicht beherrschbar und der Kunde erhält durch die Wiedergabe der proprietären Spieler keinen Mehrwert gegenüber freien Abspielern. Manche proprietären Abspieler geben dabei erwiesenermaßen die Daten der abgespielten Filme an den Softwarehersteller per Mail weiter, ohne dass der Nutzer über diesen Vorgang informiert wird. In der Europäischen Rechtspraxis hat sich inzwischen schleichend die Großindustrie durchgesetzt, indem Sie unter dem Vorwand der Bekämpfung von Softwarepiraterie die Erlaubnis erhielt, Geräte in den Markt zu bringen, welche zu den Medien ein notwendiges Paar ergeben. Das Problem der Softwarepiraterie ist damit teilweise gelöst. Aber als Modellfall für Kommunikation allgemein entstehen enorme Gefahren einer Kontrolle durch Monopolisten und das selbe gilt für die Regeln des Freien Marktes, die damit grundlegend in Frage gestellt werden. Dem W3C, dem Konsortium für Standards zur Kommunikation über Internet fällt es schon heute zunehmend schwerer, auf geschützte Standards zu verzichten. Das "GIF"-Format für Bilder, dessen Patentierung erst bekannt gegeben wurde, als es sich als Standard durchgesetzt hatte, ist ein anschauliches Beispiel. In Europa können wir mit "Gimp" (www.gimp.org) bislang GIF-Bilder noch frei bearbeiten, ohne Gebühren an Unisys zu zahlen, indem wir für Gimp ein Zusatzmodul von einem europäischen Server laden. GIF ist weniger performant, als das freie "PNG"-Format. Es entsteht durch die Erfindung des LZW-Algorithmus kein Mehrwert. Der Zwang zur Benutzung des "GIF"-Formates entsteht erst durch die Standardisierung und Verbreitung, also durch andere Programme, die diesen Standard aufgreifen. Patente, die die freie Interoperabilität verhindern, kommen einem Monopol auf alle Wege und Straßen in der nichtvirtuellen Realität ähnlich. Zum einen ist es enorm wichtig, die Interoperabilität in der Neufassung der EPC Art. 52 und anderen explizit sicherzustellen. Aber obwohl bereits partiell ohne Softwarepatente die Interoperabilität begrenzt wurde, ist diese Schleuse aus Sicht der Monopolisten, deren Interesse enorm ist, am sichersten geschlossen zu halten, wenn Softwarepatente generell durchgesetzt werden.

3.1.6 Veröffentlichung von Programmtexten, die geschützte Inhalte haben

Viele Interessengruppen fordern die Lizensierungspflicht bei der Veröffentlichung von Programmtexten, die geschützte Inhalte haben. Dieser Regelungsvorschlag macht erneut deutlich, wie wichtig die Behandlung von Software unter dem Urheberrecht ist, denn Programme sind in diesem Sinne Sprache. Wie will man über die Erfindung sprechen, wenn man sie nicht einmal erwähnen darf? Diese Forderung kommt einem Angriff auf die freie Meinungsäußerung gleich. Softwareprogrammierer geraten juristisch in Gefahr, sobald sie im Internet über ihre Programme kommunizieren; So könnte Linux niemals mehr weiterentwickelt werden, denn die Veröffentlichung des Quellcodes ist essentieller Bestandteil der Entwicklung offener Software. Freien Entwicklern ist es allerdings selbst bei bestem Willen unmöglich, alle Patente zu umgehen, da kein Mensch 30.000 Patente kennen kann, und weil Softwarepatente im Gegensatz zu technischen Patenten mit Stichworten nicht recherchierbar sind. Das Netz der Patente ist wie gesagt so dicht, dass Programmierung ohne zufällige Konflikte mit Patenten unmöglich geworden ist.

3.1.7 Trivialpatente

Was mit dem schwer zu definierenden Begriff Trivialpatente gemeint ist, zeigen die Beispiele auf //patinfo.ffii.org/patente.html recht anschaulich.
Artikel 56 (www.european-patent-office.org/legal/epc/e/ar56.html#A56) des EPC regelt die Erfindungshöhe, die für die Erteilung eines Patentes erforderlich ist, ohnehin nicht sehr klar. Die 30.000 inzwischen ohne gesetzliche Grundlage erteilten Patente enthalten dabei eine Vielzahl von sogenannten Trivialpatenten, die ausserhalb der Computertechnologie schon lange bekannt waren (z.B. die Tabs). Diese Erteilungspraxis entspricht eher einem Abstecken von Claims, als echter Entwicklungsarbeit.

3.1.8 Richtlinie zur Ahndung von Verstößen gegen Urheber- und Patentrecht nach dem Strafrecht

Die "IPRED"-Direktive steht nicht im direkten logischen Zusammenhang mit den betriebenen Modifikationen am EPC Artikel 52. Aus diesem Grunde entging sie leider der Aufmerksamkeit fast aller Organisationen, die sich um letztere Gefahr engagiert kümmern. Im Zusammenhang mit der drohenden Modifikation des EPC Artikels 52 könnte jedoch ein gefährliches Willkürwerkzeug und ein doppelter Angriff auf die freie Kommunikation entstehen:
März 2004 hat das Europäische Parlament eine Richtlinie verabschiedet, die deutlich härtere Maßnahmen bei Verdacht der Verletzung von Patenten oder urheberrechtlich geschützten Programmen erlauben. Wenn die Richtlinie bestätigt und in nationale Gesetze umgewandelt wird, können bei Verdachtsmomenten Computer konfisziert und Konten beschlagnahmt werden, und im Extremfall auch Strafverfahren eingeleitet werden, auf Betreiben von Privatfirmen. Diese tiefgreifende Änderung wurde auch in der Öffentlichkeit fast überhaupt nicht wahrgenommen. Zwei der wenigen Artikel sind unter www.law-blog.de/archives/000029.html und www.heise.de/newsticker/meldung/45368 zu finden.

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3.2 Worum geht es im Hinblick auf Interessengruppen?

Gruppen

3.2.1 Entwickler von freier Software

Linuxprogrammierer werden mit den Gegnern von Softwarepatenten nicht ohne Grund zuerst assoziiert. Sie geben viel private Zeit für die Schaffung von Gütern von immensem Wert hin, die sie der Allgemeinheit ohne jegliche Gegenleistung zur Verfügung stellen. Darunter sind auch eine Unzahl von Softwareerfindungen, an die sie keinerlei Rechtsanspruch stellen. Von ihnen zu verlangen, für die programmierte Software noch Gebühren abzuführen oder ein Gebühreneinzugssystem zu unterhalten leuchtet sofort als Ding der Unmöglichkeit ein. Die Programmierung von freier Software wird angesichts 30.000 bereits erteilter europäischer (!) Patente nahezu unmöglich werden. Linux würde auf dem heutigen Stand der Entwicklung eingefroren und ob die Benutzung überhaupt noch legal wäre, ist ungeklärt. Linux ist inzwischen das zweithäufigst installierte Betriebssystem, auch auf dem Desktop. Im Servermarkt hat es eine führende Rolle erobert, vor allem wegen der individuellen Anpassungsfähigkeit, wegen der Transparenz des Umgangs mit vertraulichen Daten und wegen des hohen Sicherheitsniveaus, das zudem individuell gesteigert werden kann. Langfristig kann Linux für die Wirtschaft als wichtigste Alternative zu Microsoft Windows angesehen werden. Auch das Betriebssystem von Apple ist inzwischen sehr eng verwandt mit Linux und profitiert in gleicher Weise davon, wie Apple auch in Linux investiert. Könnte Linux nicht mehr weiterentwickelt werden, gäbe es zu Microsoft faktisch keine Alternative mehr. Das Kartellamt könnte auch nichts mehr retten.

3.2.2 Die mittelständische und große Softwareindustrie


EP689133

Angesichts der Dominanz der großen Softwarekonzerne wird die Bedeutung des Mittelstands in der Softwareindustrie bei weitem unterschätzt. 80% aller in Deutschland beschäftigten in der Softwareindustrie sind in mittleren und kleinen Unternehmen (Jahresumsatz unter 50 Mio. Eur.) beschäftigt und erledigen dort grundlegende Arbeit für die Industrie. Sie schaffen überwiegend angepasste individuelle Lösungen, damit andere Firmen den grundlegenden Vorteil des Computers nutzen können: Häufig wiederholte Arbeiten dem Computer anzuvertrauen. Mittelständische Unternehmen bringen zudem 69% des Steueraufkommens der BRD auf. Der Mittelstand gehört zu den klaren Verlierern im Falle legalisierter Softwarepatente. Anlässlich einer Konsultationsübung der Europäischen Kommission sprachen sich 94% der Konsultationsteilnehmer gegen Softwarepatente aus. Argumente der Kommission, die restlichen 6% repräsentierten die wirtschaftliche Mehrheit, laufen angesichts obiger Zahlen ins Leere (siehe swpat.ffii.org/analyse/sektor/index.de.html).
Firmen, die bislang Erfahrungen mit der Patentpraxis aus den USA gemacht haben, berichten übereinstimmend, dass sie viel Geld und Kraft verloren haben. Ein paar Beispiele werden im Internet unter
www.herdsoft.com/Einkommenseinbussen%20durch%20Softwarepatente.html und //www.esr-pollmeier.de/swpat/ recht anschaulich berichtet. Viele bislang erfolgreiche Softwareunternehmen bangen um ihre Geschäftsfelder, weil in der Regel Teilbereiche der Produkte durch andere Firmen geschützt sind. Aufgrund der kurzen Geschichte der gesamten Computerentwicklung im Verhältnis zu den 20 Jahren möglicher Lebensdauer eines Patents sind anders als in der Technik essentielle Grundbausteine der elektronischen Kommunikation und Technik von Patenten geschützt. Stellen Sie sich vor, wie beispielsweise die wirtschaftliche Lage von Autoherstellern aussähe, wenn wesentliche Elemente des Fahrwerks, der Straßen und des Antriebes patentrechtlich geschützt wären. In einer solchen Lage hätten nur absolute Giganten eine Chance, sofern sie in der Lage sind, gegnerische Ansprüche entweder einfach zu bezahlen oder auszuhungern. Mittelständlern mit begrenzter Liquidität geht sowohl gegenüber "Kleinerfindern", als auch gegenüber großen Firmen schnell die Kraft aus. Ein Interesse an Softwarepatenten besteht in diesem Bereich der Wirtschaft explizit nur in Ausnahmen.
Die Gefahr, die durch Softwarepatente für den Mittelstand entsteht ist erst in völlig unzureichendem Maße von den mittelgroßen Softwarefirmen erkannt worden. Sprechen Sie, wenn Sie Mitarbeiter einer Softwarefirma sind, Ihre Manager und Firmeninhaber auf die Gefahr an (geben Sie diese Seite als Link an sie weiter)!

3.2.3 Patentanwälte und Patentämter

Patentanwälte profitieren selbstverständlich von Softwarepatenten, weil diese in großem Maße Aufträge mit sich bringen. Demzufolge finden sich unter den Lobbyisten und Fachberatern im Sinne einer ungebremsten Softwarepatentierung sehr viele Patentanwälte. Patentämter sind in der Regel staatliche Einrichtungen, die sich aber überwiegend selber tragen können. Die Drohung, im Falle des Ausschlusses von Softwarepatenten von staatlichen Hilfen abhängig zu werden, ist ein wichtiges politisches Argument. Ganz klar nimmt die Bedeutung von Patentämtern durch Softwarepatente zu, was in deren Interesse liegt. Das Europäische Patentamt ist ja auch einer der stärksten Befürworter von Softwarepatenten. Dabei geht das europäische Patentamt so weit, dass es im eindeutigen Widerspruch zur Gesetzgebung bereits 30.000 (dreißigtausend!!!) Patente auf Software erteilt hat.

3.2.4 Patentfirmen

In den USA gibt es bereits eine bedeutungsvolle Gruppe von Firmen, die nichts in Entwicklung aber alle Energie in die Generierung von Patenten investieren und die von den damit zu erzielenden Lizenzgebühren recht gut leben. Bei konventionellen Patenten, sprich physikalischen Patenten ist es sehr unwahrscheinlich, dass das reine "Erfinden" bzw. das Generieren von Patenten einträglich ist, weil der Invest in die Entwicklung so groß ist, dass reine Patente nahezu wertlos sind. Ohne einen Produzenten, der Interesse an der Produktion anmeldet, werden selbst Patente mit hohem Wert vielfach links liegen gelassen.

3.2.5 Softwaregiganten

Die Giganten sind die einzigen Software produzierenden Befürworter von Softwarepatenten. Sie leiden sogar selber unter den Auswirkungen dieser unsinnigen Gesetzgebung in den USA, weil sie an Patentfirmen zahlen müssen. Aber die Hoffnung, zukünftige Konkurrenten aus dem Feld halten zu können, lässt offensichtlich Softwarepatente als hilfreich erscheinen. Bei korrekter Rechtsprechung dürften theoretisch die Giganten benachteiligt werden, weil vielfach kleine Firmen oder Einzelpersonen durch Patente Zwang ausüben könnten. Die Tatsache, dass sie dennoch an Softwarepatenten festhalten, lässt befürchten, dass sie so sehr auf ihre wirtschaftliche Macht und den Einfluss auf Patentgerichte setzen, dass sie keine Angst vor Auseinandersetzungen haben, die zu ihren Ungunsten ausfallen könnten. Es sei daran erinnert, dass die Softwaregiganten selten die Ideen selber entwickelt haben, auf denen ihr Erfolg basiert. Die Erfinder wurden nicht selten bis zum Bankrott bekämpft oder aufgekauft. Der Erfolg war in den wenigeren Fällen der Qualität der Ideen geschuldet und in den häufigeren Fällen der Marktmacht und der dadurch bedingten Setzung von proprietären Standards.

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3.3 Worum geht es im Hinblick auf wirtschaftliche Auswirkungen?

Industrie

Bisherige Erfahrungen liegen vor allem in den USA vor. Auch in Europa sind Softwarehersteller von den Auswirkungen der Gesetzgebung der USA direkt betroffen. Die gesetzeswidrige Erteilungspraxis des Europäischen Patentamts schafft bereits heute viel Verwirrung wegen der dadurch entstandenen Rechtsunsicherheit. Nach übereinstimmenden Berichten werden Patente von mittelständischen Firmen in erster Linie aus strategischen Überlegungen angemeldet und nur selten zur Absicherung von Investitionen,was dem Sinne des Patentrechtes entspräche. Eine Vielzahl von Mittelständlern und größeren Unternehmen rechnet mit massiven Nachteilen. Etwas missverständlich wird immer wieder von wirtschafts- oder industriefreundlichen Politikern gesprochen, die in Wahrheit nur den Interessen von Großunternehmen das Wort reden. Aber die Wirtschaft dürfte von Softwarepatenten kaum profitieren. Die Großunternehmen dürften die einzigen Gewinner sein, wenn es welche geben sollte. Man sollte aber die Kunden von Softwareherstellern nicht aus dem Auge verlieren, denn Software verrichtet immer auch eine Arbeit in einem wirtschaftlichen Produktionsprozess. Monopolisten können niemals angepasste Lösungen anbieten. Angepasste Lösungen entstehen fast immer in Zusammenarbeit mit mittelständischen Softwareentwicklern. Bei Fehlen von Konkurrenz und bei erhöhten Entwicklungskosten für Software wegen Umgehung und Prüfung von Patentrechten müssen Kunden mit dem existierenden Angebot vorlieb nehmen. Die eigentliche Stärke des Computerzeitalters, nämlich die Übertragung von langwierigen dumpfen Aufgaben, die Menschen erledigen, auf Computer, wird stark erschwert. Wirtschaftlichen Nutzen von Softwarepatenten dürfen am ehesten Patentjuristen und Patentämter erwarten, als Verwalter von Zwängen.


 
 

4. Das Für und Wider

swpat.ffii.org/archiv/spiegel/wirkung/index.de.html
Sammlung von Forschungsarbeiten über die volkswirtschaftlichen Auswirkungen von Patenten

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4.1 Die Argumente der Softwarepatentbefürworter

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4.2 Was spricht gegen Softwarepatente?


 
 

5. Der Weg durch die Institutionen

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5.1 Schema der Entscheidungsfindung

europa.eu.int/eur-lex/de/about/abc/abc_21.html
Entscheidungswege auf dem Weg zur Direktive.

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5.2 Die Protagonisten

5.2.1 Die Europäische Kommission

(Homepage: europa.eu.int/comm/index_de.htm) besteht aus Vertretern der Regierungen der Länder Europas und stellt das exekutive Organ der europäischen Verwaltung dar. Die Kommission ist massiver Motor für Softwarepatente, wobei die Regierungen sich bedeckt halten, welche Länder die Patentierbarkeit vorantreiben. Unter vorgehaltener Hand erfährt man allerdings, dass England und Deutschland und die großen Länder zu den Förderern der Softwarepatente gehören, wohingegen die kleineren Länder vernünftiger agieren. Der Druck muss allerdigns enorm sein. Der erste Entwurf zur Legalisierung stammt von der Kommission (Entwurf der Europäischen Kommission)

5.2.2 Der Rat der Europäischen Union

(Homepage: ue.eu.int/de/summ.htm) Der Rat der Europäischen Union vertritt die Regierungen der einzelnen Länder. Auch der Rat ist eher Softwarepatentbefürworter. Er muss, wie das Parlament Vorschläge für Direktiven überprüfen.

5.2.3 Das Europäische Parlament

(Homepage: www.europarl.de/) Das Europäische Parlament ist die einzige Institution, die direkt von den Bürgern Europas gewählt wird. Die letzte Wahl war am 13. Juni 2004. Es kann passieren, dass das Parlament in neuer Zusammensetzung über einen neuen Vorschlag der Kommission abstimmen muss, der vielleicht nicht besser ausfällt, als der erste (europa.eu.int/comm/internal_market/en/indprop/com02-92en.pdf). Es ist wichtig, dass die neuen Abgeordneten so schnell wie möglich mit der Materie vertraut gemacht werden. Sonst sind sie einseitiger Meinungsbearbeitung durch Lobbyisten ausgesetzt. Das bisherige Parlament war dafür verantwortlich, dass großer Schaden abgewendet wurde. Es hat einen sehr guten Vorschlag verabschiedet.

5.2.4 Europäisches Patentamt

(Homepage: www.european-patent-office.org/index.de.php) Das Europäische Patentamt spielt derzeit eine sehr traurige Rolle, weil es Vertrauen in Recht erschüttert. Es ist kein Versagen kleiner Beamter, wenn 30.000 Patente illegal erteilt werden. Wenn der sehr eindeutig formulierte Artikel 52 des EPC dahingehend ausgelegt wird, das dies möglich sei, dann ist in der Rechtsprechung so ziemlich alles möglich. Natürlich ist es für eine Behörde wie das Europäische Patentamt wirtschaftlich interessant, seine Bedeutung zu erweitern. Nur wenn dabei rechtsstaatliche Prinzipien über Bord geworfen werden, dann führt sich eine Behörde, die auf juristischer Ebene einen Interessenausgleich zwischen Wirtschaftsunternehmen schaffen soll, ad absurdum. In der gesamten Debatte nimmt das Europäische Patentamt einen klaren Standpunkt für Softwarepatente ein.

5.2.5 Lobbyisten der Monopolisten: (kleine Auswahl)

5.2.6 Die deutsche Bundesregierung

Die deutsche Bundesregierung äußert in der Öffentlichkeit, reine Softwarepatente verhindern zu wollen, sie sogar im aktuellen Entwurf des Europäischen Rates verhindert zu haben. Faktisch ist das Gegenteil der Fall: Die Bundesregierung hat im Mai 2004 für den aktuellen Ratsentwurf gestimmt und Änderungen eingebracht, die die Lage eher noch verschlimmern, zumindest nicht verbessern.

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5.3 Der Entwurf der Europäischen Kommission vom 20.02.2002

europa.eu.int/comm/internal_market/en/indprop/com02-92de.pdf (deutsch)
europa.eu.int/comm/internal_market/en/indprop/com02-92en.pdf (englisch)
Mit diesem Entwurf wurden die Pläne zur Einführung von Softwarepatenten offensichtlich. Unter patinfo.ffii.org/richtlinie.html ist dieser Entwurf recht aussagekräftig dokumentiert bzw. die Ankündigung, Software als solche sei mit diesem Entwurf nicht patentierbar, wird als glatte Lüge entlarvt, indem die entsprechenden Passagen im Entwurf daneben gestellt werden. Es wird ersichtlich, daß die Kommission den Interessen amerikanischer Monopolisten und Politiker gegenüber sehr zugänglich ist.

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5.4 Der Entwurf des Europäischen Parlamentes

www2.europarl.eu.int/registre/seance_pleniere/textes_consolides/2002/0047/EP-PE_TC1-COD(2002)0047_DE.pdf (deutsch)
www2.europarl.eu.int/registre/seance_pleniere/textes_consolides/2002/0047/EP-PE_TC1-COD(2002)0047_EN.pdf (englisch)

Die Richtlinie des europäischen Parlamentes vom 24.09.2003 versucht sehr präzise die computerimplementierte Erfindung so zu definieren, dass die Neuheit physikalische Wirkungen beinhalten muss. Darin ist zu erkennen, dass das europäische Parlament die Interessen der Industrie (Außer den Giganten) und der Open Source-Bewegung berücksichtigen will. Sämtliche Änderungen gegenüber dem Vorschlag der Kommission dienen einzig und allein dem genannten Zweck. Ferner wird zusätzlich auch explizit ungehinderte Interoperabilität gefordert. Wenn die Kommission oder der Rat diesen Entwurf torpediert, kann niemand sagen, sie würde die Technizität als Voraussetzung wollen. Tatsächlich geben aber die diversen Softwarepatentlobbyisten nicht auf, genau die schädlichen Elemente doch noch zu ermöglichen.

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5.5 Entwurf des Europäischen Rates vom 24.05.2004

register.consilium.eu.int/pdf/de/04/st09/st09713.de04.pdf (deutsch)
register.consilium.eu.int/pdf/en/04/st09/st09713.en04.pdf (englisch)
Am 24.05.2004 hat der europäische Rat einen Entwurf verabschiedet, der faktisch dem Entwurf von 2002 gleicht. Die rechtlichen Auswirkungen sind relativ verscheiert, da der Entwurf vorsieht, dass reine Software nicht patentierbar sei. Systeme, die technisch sind und Software enthalten sind allerdings nach diesem Entwurf patentierbar. Software kann also patentiert werden, sofern sie auf einem Computer oder einem anderen technischen System laufen soll, denn die Technizität ist nicht näher definiert, beispielsweise als physikalische Wirkung, wie im Entwurf des Parlaments. Ferner werden explizit die nationalen Gesetzgeber aufgerufen, Softwareansprüche zuzulassen, sofern diese irgendeinen Nutzen hätten. Die entscheidenden Passagen sind auf den Seiten 8 und 9 des oben referenzierten PDF-Dokuments in den Artikeln 4 und 5 zu finden.
Momentan erleben wir die irrwitzige Lage, in der nahezu keine Partei sich zur Legalisierung reiner Software oder zu "amerikanischen Verhältnissen" bekennt, aber sowohl die Unionsparteien, als vielfach auch die Sozialdemokraten sich hinter den Ratsentwurf stellen mit der falschen Behauptung, dieser verhindere reine Softwarepatente bzw. "amerikanische Verhältnissen".
Folgender Ausschnitt aus dem Entwurf des Europäischen Rates zeigt, dass dieser ziemlich eindeutig reine Softwarepatente ermöglichen soll. Das Bemühen, dies zu kaschieren, macht das Werk in sich widersprüchlich, beseitigt zuverlässig jegliche Rechtssicherheit und schafft schlechte Voraussetzungen für eine "Harmonisierung" nationaler Gesetze:
 

Artikel 4

Voraussetzungen der Patentierbarkeit

Um patentierbar zu sein, müssen computerimplementierte Erfindungen neu sein, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sein. Um das Kriterium der erfinderischen Tätigkeit zu erfüllen, müssen computerimplementierte Erfindungen einen technischen Beitrag leisten.
 

Artikel 4a

Ausschluss von der Patentierbarkeit

(1) (neu) Ein Computerprogramm als solches kann keine patentierbare Erfindung darstellen.

(2) Bei computerimplementierten Erfindungen wird nicht schon deshalb von einem technischen Beitrag ausgegangen, weil zu ihrer Ausführung ein Computer, ein Computernetz oder eine sonstige programmierbare Vorrichtung eingesetzt wird. Folglich sind Erfindungen, zu deren Ausführung ein Computerprogramm, sei es als Quellcode, als Objektcode oder in anderer Form ausgedrückt, eingesetzt wird und durch die Geschäftsmethoden, mathematische oder andere Methoden angewendet werden, nicht patentfähig, wenn sie über die normalen physikalischen Interaktionen zwischen einem Programm und dem Computer, Computernetzwerk oder einer sonstigen programmierbaren Vorrichtung, in der es abgespielt wird, keine technischen Wirkungen erzeugen.
 

Artikel 5

Form des Patentanspruchs

(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass auf eine computerimplementierte Erfindung entweder ein Erzeugnisanspruch erhoben werden kann, wenn es sich um einen programmierten Computer, ein programmiertes Computernetz oder eine sonstige programmierte Vorrichtung handelt, oder aber ein Verfahrensanspruch, wenn es sich um ein Verfahren handelt, das von einem Computer, einem Computernetz oder einer sonstigen Vorrichtung durch Ausführung von Software verwirklicht wird.

(2) Ein Patentanspruch auf ein Computerprogramm, sei es auf das Programm allein oder auf ein auf einem Datentrger vorliegendes Programm, ist nur zulässig, insoweit das Programm, wenn es auf einem Computer, auf einem programmierten Computernetz oder einer sonstigen programmierbaren Vorrichtung installiert und ausgeführt wird, einen in derselben Patentanmeldung erhobenen Erzeugnis- oder Verfahrensanspruch gem Absatz 1 begründet.
 


Sehr geehrter Leser,

bitte bedenken Sie, welche Auswirkungen diese so abstrakt klingenden Regelungen für uns alle haben können. Bald, im Sommer oder Herbst des Jahres 2004 dürfte das europäische Parlament aufgerufen sein, abschließend über den Entwurf des Rates abzustimmen. Die öffentliche Reaktion wird entscheidend für das Abstimmungsergebnis sein. Sollten Softwarepatente ermöglicht werden, wird dies kaum rückgängig zu machen sein. Die Auswirkungen werden jeden Bürger Europas betreffen, da der Computer und elektronische Geräte nahezu jegliche Kommunikation steuern. Reden Sie mit Bekannten über die Thematik. Schreiben Sie Leserbriefe. Wenn Sie in der Softwareindustrie tätig sind, bringen Sie das Thema in das Management Ihrer Firma. Wirken Sie mit, dass Innovation und freie Kommunikation erhalten bleiben und dass politische Entscheidungen im Interesse der Allgemeinheit vor den Interessen von Minderheiten ohne Legitimation zur Macht geschützt werden.


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